HimmelsAnker Nr. 75 vom 25.07.21

Hermann, was machst du da? - Ich sitze hier. - Du sitzt da? - Ja. - Aber irgendwas musst du doch machen. - Nein. - Es würde ja nicht schaden, wenn du einmal etwas spazieren gingst. - Nein. - Ich hole dir deinen Mantel. - Nein, nein. - Aber es ist zu kalt draußen ohne Mantel. - Ich möchte nicht spazieren gehen. - Mal möchte der Herr spazieren gehen, mal möchte …

Die meisten von uns kennen diesen Sketch von Loriot.
Ein Sketch, wie er besser in diese Zeit nicht passen könnte. Hermann und Berta sind zu Hause – wo sie in Corona-Zeiten auch hingehören. Beide sind nicht mehr ganz jung – sie gehören zur Risikogruppe. Berta ist Hermanns Risiko und Hermann das von Berta.

Wo steckt in diesem Dialog eigentlich der Witz?
Ich habe selbst schon einmal nicht einfach so sitzen dürfen. Ich selbst konnte schon mehrfach keinen klaren Gedanken fassen, weil immerzu irgendwelche Vorschläge auf mich einprasselten, was ich tun könnte, anstatt einfach nur dazusitzen.
Ich vermute, dass unzählige Menschen jederlei Geschlechts schon einmal nicht einfach so dasitzen durften. Und darin liegt der Witz: Im Wiedererkennungseffekt.

Ich erkenne mich wieder, wie ich mich rechtfertigen muss, warum ich einfach mal sitzen möchte.

Erkennt sich eigentlich wer als Berta?

Ich weiß nicht, ob die Bertas dieser Welt den Sketch überhaupt witzig finden können oder ob sie denken, dass die Sketch-Berta doch etwas Naheliegendes tut, nämlich Hermann in den Wahnsinn zu quatschen.

Wieso komme ich eigentlich auf diesen Sketch von Loriot?
Zum einen starb Loriot im August vor 10 Jahren. Zum anderen sprechen wir im apostolischen Glaubensbekenntnis: „… Jesus sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters.“

Mit Loriot im Hinterkopf: Was für ein schräges Bild: Jesus sitzt rechts neben Gott, der wahrscheinlich ebenfalls sitzt. Vermutlich auf einem Thron. Aber beide sitzen da.

Und jetzt kommt Berta. Jetzt kommen all die Bertas. Jetzt kommen wir:
„Du lieber Gott! Sitz doch da nicht nur rum! Geh doch wenigstens mal spazieren und guck dir an, was hier los ist! Mach doch mal was! Hilf mir aus meinem Unglück, Gott! Mach der Pandemie ein Ende! Heile meinen Mann, meine Frau, mein Kind, meinen Hund! Mach, dass es keine Überschwemmungen mehr gibt, keinen Dauerregen, keine Hitzewelle, keine Klimakatastrophe, keinen Hunger, keine Dürreperiode, keinen Krieg, keine Terroranschläge! Mach doch mal, was wir sagen, um was wir dich bitten! Aber sitz nicht nur rum im Himmel, auf einer Wolke, auf deinem Thron!"

Doch im Grunde glauben wir: Da passiert nichts.
Ich glaube, wir Menschen denken so, weil wir Gott längst abgeschoben haben in die unendlichen Weiten des Weltalls. Dort sitzt Gott – und wir rackern uns hier ab.

Dabei könnten wir es besser wissen!
Jede einzelne biblische Geschichte erinnert uns an einen aktiven Gott! Schon auf den ersten Seiten der Bibel macht Gott die Erde, den Menschen, die Tiere …
Und nachdem Gott so kreativ war, ruht er ein bisschen aus – o.k. Aber was macht er dann? Als hätte Eva rumgenörgelt: Gott geht spazieren im Garten Eden... Wir alle wissen, wie es weitergeht.

Was ich sagen will: Die Bibel beschreibt Gott als etwas Göttliches, das mitgeht, das dabei ist, ja sogar kämpft und ringt.
Und später wird Jesus nicht müde, den Menschen die Erfahrung zu ermöglichen, dass Gott um uns ist, in uns, ja uns sogar in einem jeden unserer Mitmenschen begegnen kann.
Von wegen: Gott sitzt da oben irgendwo.

Aber Hermann sitzt immer noch da und Berta nörgelt weiter an ihm rum.
Wir schmunzeln oder lachen sogar.

Ich frage mich, was würde diesem Loriot-Sketch eigentlich den Witz nehmen? Was müsste passieren, damit wir nicht mehr schmunzeln?

Wenn Berta den Willen Hermanns respektieren würde! Wenn Berta aus der Küche käme, die Arme von hinten um Hermann schlingen und ihm einen Kuss geben würde. Wir würden nicht mehr schmunzeln, schon gar nicht lachen, wir würden anerkennend lächeln.

Ich frage, was müsste eigentlich passieren, damit wir Gott gegenüber unser Berta-Nörgeln ablegen?
Eigentlich ist es so einfach: Uns durch die biblischen Erzählungen erinnern zu lassen, dass Gott nicht da oben sitzt.
Sondern dass Gott schon längst da ist, immer schon hier, mitten unter uns, hier in der Kirche, zu Hause in der Küche, beim Trauern am Grab, im Weinen und im Lachen, im Ärgern und Verzweifeln, bei dir, bei mir – einfach überall.

Wenn wir alle doch diese Erfahrungen machen könnten! Dann gingen wir alle lächelnder durch Leben. Doch dazu müssten wir den Mut haben, uns von alten Gottesbildern trennen.
 
Das wünsche ich uns allen von Herzen.